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Märchen und Fabeln
Ein Hammel, eine Zieg' und ein gemästet Schwein,
auf einem Karren wurden sie zum Markt gefahren.
Nicht zum Vergnügen sollt' es für sie sein,
da sie, soviel man weiß, bestimmt vom Krämer waren,
am Markte zum Verkauf zu stehen,
und nicht, um den Hanswurst zu sehen.
Frau Schwein schrie so, als wär es schon geschehen
um sie und folgten ihr zehn Schlächter auf den Spuren;
ja, einen Lärm, um taub zu werden, machte sie.
Die anderen, gutes Volk und sanftre Kreaturen,
wunderten sich gar sehr, daß sie um Hilfe schrie;
sie sahen keinen Grund zu zagen.
Der Kärrner spricht zum Schwein: "Was hast du denn zu klagen?
Du machst uns alle toll! Warum gibst du nicht Ruh'?
Die beiden anderen, weit anständiger als du,
solllten dich Lebensart oder doch Schweigen lehren!
Sieh diesen Hammel an, hält er sich nicht fast stumm?
Denn er ist klug." - " Nein er ist dumm !
Wüßt' er, auf welchem Gang wir wären,
er macht' es wohl wie ich und schrie aus vollem Hals,"
erwiderte das Schwein, " und jene andre gute Seele,
schrie ebenso aus voller Kehle!
Sie denken, nehmen will man ihnen allenfalls,
der Ziege Milch, dem Hammel seine Wolle.
Ob's richtig, sei dahingestellt;
doch mir, die höchstens gut man hält
zum Essen, droht der schmerzvolle
und sichre Tod. Leb wohl, o Welt!"
Das Schwein zeigte Verständnis, sollt' ich meinen.
Allein was nützt' es ihm? Steht fest das Unheil, dann
kann Klagen auch nichts änderen mehr daran,
und der Kurzsichtigste wird stets der Klügeste scheinen.
(Aus: La Fontaine Gesammelte Fabeln)
Eine Sau lag im Stall inmitten ihrer frisch geworfenen Ferkel.
Da kam auf einmal ein Wolf vorbei, der heimlich ein Ferkel fressen wollte.
Er wusste aber nicht, wie er es anstellen sollte.
So gab er vor, ihr einen Antrittsbesuch abstatten zu wollenb.
Indem er sich höflich nach ihrem Wohlergehen und dem ihrer Familie erkundigte,
versuchte er, sich bei ihr einzuschmeicheln.
"Kann ich Euch zu Diensten sein, Gevatterin Sau?" sagte er.
"Wenn dem so ist, will ich gerne alles in meiner Macht Stehende tun.
Falls Ihr Ein wenig frische Luft schnappen wollt, so könnt ihr gewiss sein,
dass ich auf Eure Familie ebensogut achtgeben werde, wie ihr es selbst tun würdet."
"Nein , ich danke Euch, Gevatter Wolf.
Ich verstehe Euchg sehr wohl, und den Grössten Gefalllen,
den Ihr mir und meinen Ferkeln erweisen könnt,
ist, Euch fernzuhalten."
(Aus: Thomas Bewick, Ausgewählte Fabeln von Aesop)
Es war einmal ein kleines Schweinchen, das eigentlich Ferdinand Ferkelmann hieß. Da es stets mit einem sehr grimmigen Gesicht herumlief, wurde es aber nur Schweinchen Mißmut genannt. Es lebte draußen im Walde, wo es noch viele andere Tiere gab, nur keine Ferkelchen, und deshalb hatte es auch keine Freunde. Mißmut konnte nicht so rasch laufen wie die Deshalb war Mißmut oft sehr traurig, daß sich eines schönen Morgens sogar sein Ringelschwänzchen nicht mehr ringeln wolllte. Ein Ferkelchen ohne Ringelschwanz - das war zu viel für Mißmut. Er lief fort und hoffte, ein anderes Ferkelchen zum finden, dem es sein Herz ausschütten konnte. Ferkelchen Mißmut rannte so schnell, daß es stolperte und in ein tiefes Loch fiel. Da lag es nun und weinte uns strampelte. Plötzlich fragte eine sanfte Stimme: " Wer bist du denn und warum weinst du so ? "
Schweinchen Mißmut blickte umher und sah eine reizende kleine Elfe. Er erzählte ihr seine traurige Geschichte, und sie sagte darauf: "warte hier, ich will dir helfen."
Sie flog davon und kam bald mit der Elfenkönigin zurück; die sagte : "Weil du gar so traurig bist, will ich dir einen Wunsch erfüllen." Mißmut dachte nach und sagte dann: "Ich wünsche mir ein Ferkelchen als Freund, das mit mir hier im Walde leben darf und mit mir spielt." Da befahl die Elfenkönigin dem kleinen Mißmut, die Augen zu schließen und schnell einzuschlafen. Die Elfenkönigin und die andere Elfe aber flogen rasch davon. Als Mißmut wieder aufwachte, sah er ganz nahe bei sich ein kleines rosiges Schweinchen, das herzzerreißend weinte. Er setzte sich zu der Kleinen, die sofort mit dem Weinen aufhörte und ihm erzählte, daß sie von zu Hause weggerannt sei, weil sie die Welt gern sehen wollte. Jetzt war sie einsam und verlassen und entsetzlich hunrig. Da tröstete Mißmut sie und fragte sie, ob sie nicht bei ihm im Wald bleiben wollte. Rosy - so hieß die Kleine sagte: " Ja gerne!" Da machten sich beide zu Mißmuts Wohnplätzchen im Walde auf, lebten dort vergnügt miteinander und hatten bald viele Freunde unter den Tieren. Später bekamen Rosy und Mißmut sieben niedliche kleine Ferkelchen, über die sie sich sehr freuten. Und was geschah dann? Mißmuts Schwänzchen ringelte sich wieder wie vor Zeiten. Weil er aber jetzt immer so ein freundliches Gesicht zeigte, nanntenn ihn die Tiere nicht mehr Mißmut sondern bei seinen richtigen Namen Ferdinand Ferkelmann. Und wenn sie besonders nett zu ihm sein wollten, dann riefen sie ihn "Ferdel Ferkelein".
(Aus : Mein schönstes Geschichtenbuch. Favorit Verlag Rastatt)
Ein Schweinehirt aus Untervaz weidete einmal sein Borstenvieh in der Nähe des Schlpsses Neuenburg. Eines der Tiere schrie auf einam gar gräßlich, da liefen alle anderen hinzu, wie wenn sie ihm helfen wollten.
Das sah der grimmige Zwingherr von seine Balkon herab und rief, dabei höhnisch lachend: "Wenn die Bauern also zusammenstehen würden wie die Schweine, so wären wir unserer Herrschaft kaum mehr sicher!"
Der Hirte hörte diese Bemerkung und erzählte sie daheim allem Volke. Dieses wollte nicht auf sich sitzen lasen, weniger Sinn für eine gemeinsame Not zu haben als das unvernünftige Vieh. Man schlöß sich nach kurzer Beratung zusammen, belagerte, erstürmte und verbrannte das Schloss - der Zwingherr wurde aus dem Land gejagt.
(Aus: Das mythologische und literarische Schwein. Texte zu einer Tonbildschau. Idee, Konzept und -Ausführung Jürg Stauffer, Zoologisches Museum der Universität Zürich 1986).